„Wir schauen der Wahrheit ins Auge“

10 12 2012

Dieses Lied von Albert Frey haben wir heute Morgen in der Andacht gesungen, und gelesen haben wir 1. Johannes 1,5-10.
WIR schauen der Wahrheit ins Auge…

Ha! Da kann ich doch nur lachen!

Ich meine, dass ICH mich davor drücke, der Wahrheit ins Auge zu sehen, okay. Ich würde darin nur meinen Minderwertigkeitskomplex sehen, den ich für gewöhnlich versuche hinter schönen Kleidern und tadelloser Leistung zu verbergen.
Der Blick ins Auge der Wahrheit würde mir außerdem meine Ängste offenbaren und das, was ich in der Vergangenheit war, während ich in der Gegenwart so tue, als sei ich jene nie gewesen. Der Blick ins Auge der Wahrheit würde mich mit der Realität konfrontieren!
Kein Wunder, dass ich mich davor drücke.
Darum singe ich das Lied ja auch nicht mit.

Aber WIR schauen der Wahrheit ins Auge, das kann ja bloß ein Witz sein.
Wenn Gemeinde dieses Lied singt, kann sie nur meinen: Wir schauen Jesus ins Auge, dem Lieben, dem Heilland.
Auf alle Fälle bedeutet es wohl nicht: Wir sind bereit, uns die Wahrheit über uns zeigen und sagen zu lassen. Oder?
Die Gemeinde jedenfalls, die ermutigt ehrlich zu sein, die nicht heillos überfordert ist, wenn einer die Hosen runter lässt, die möchte ich mal kennelernen.
Die christliche Gemeinschaft, die Gefühlen Raum gibt (nicht nur den positiven), in der Aufrichtigkeit erwünscht ist und man damit am Ende nicht alleine dasteht, die möchte ich mal sehen.
Die Gemeinde, die die Wahrheit über sich selbst aushält, die soll meine Gemeinde sein.

Vielleicht werde ich diese Gemeinde eines Tages finden…
Vielleicht an dem Tag, an dem ich selbst bereit bin, mir die Wahrheit über mich zeigen und sagen zu lassen?
Vielleicht in dem Moment, in dem ich mich selbst ehrlich aushalte, auch ohne Hosen?
Vielleicht zu jener Zeit, da ich meinen Gefühlen (auch den unangenehmen) Raum gebe und aufrichtig werde mit mir selbst?